ATAD 2 – Umsetzung in nationales Recht

ATAD 2 – Umsetzung in nationales Recht

Hintergrund

Am 8. August 2019 legte die luxemburgische Regierung dem luxemburgischen Parlament eine Gesetzesvorlage (no. 7466) vor, in dem ein Gesetzentwurf (der „Gesetzentwurf“) zur Umsetzung der EU-Anti-Tax-Avoidance über hybride Gestaltungen mit Drittländern („ATAD 2„) als luxemburgisches nationales Recht festgelegt wurde. Die EU-Mitgliedstaaten haben bis zum 31. Dezember 2019 Zeit, die meisten der Maßnahmen in ATAD 2 in nationales Recht umzusetzen, und müssen diese Bestimmungen ab dem 1. Januar 2020 anwenden. Hybride Gestaltungen können nach dem Gesetz wiefolgt kategorisiert werden:

  • Zahlungen auf hybride Finanzinstrumente
  • Zahlungen an ein hybrides Unternehmen oder von einem hybriden Unternehmen
  • Zahlungen an ein Unternehmen mit Betriebsstätte(n)
  • Zahlungen an unberücksichtigte Betriebsstätten oder fiktive Zahlungen zwischen Hauptsitz und Betriebsstätte oder zwischen Betriebsstätten
  • Importierte Inkongruenzen

Dieser Gesetzentwurf muss nun den luxemburgischen Gesetzgebungsprozess durchlaufen und kann vor der endgültigen Abstimmung durch das luxemburgische Parlament geändert werden. Wie in Luxemburg üblich, enthält die Gesetzesvorlage neben dem Gesetzesentwurf einen ausführlichen Kommentar („Kommentar“), der an einigen Stellen Hinweise darauf gibt, wie der Gesetzentwurf auszulegen ist.

Der Gesetzentwurf folgt im Allgemeinen ziemlich genau dem Text von ATAD 2 und passt ihn hauptsächlich an, um ihn in die Struktur und Terminologie des luxemburgischen Einkommensteuergesetzes („LITL„) zu integrieren.

Wie von ATAD 2 erwartet, gilt der Gesetzentwurf im Allgemeinen ab den Steuerjahren ab dem 1. Januar 2020, wobei die zusätzlichen „Reverse Hybrid“-Maßnahmen, die Artikel 9a von ATAD 2 umfassen, ab dem Steuerjahr 2022 gelten.

ATAD 1 als Grundlage für ATAD 2

Im Rahmen des BEPS-Projekts wurden im Oktober 2015 auf OECD-Ebene Maßnahmen zur Bekämpfung von Steuervermeidungspraktiken beschlossen, die von den teilnehmenden Staaten in deren nationales Gesetz umzusetzen sind. Zudem wurde auf EU-Ebene die Richtlinie EU/2016/1164 vom 12. Juli 2016 mit Vorschriften zur Bekämpfung von Steuervermeidungspraktiken mit unmittelbaren Auswirkungen auf das Funktionieren des Binnenmarkts (Amtsblatt der EU vom 19. Juki 2016, L 193/1) gefasst, die kurz nach der englischen Bezeichnung „Anti-Tax-Avoidance Directive“ ATAD 1 bezeichnet wird. Darin enthalten sind Vorgaben zur Zinsschranke, Entstrickung im Rahmen der Wegzugsbesteuerung, allgemeinen Missbrauchsverhinderung, Hinzurechnungsbesteuerung und zu hybriden Gestaltungen, die frühestens bis zum 31.12.2018 in nationales Recht umzusetzen sind. Hauptaugenmerk liegt in diesem Artikel auf den hybriden Gestaltungen, durch die steuerliche Vorteile in Form von doppelter Nichtbesteuerung oder doppelter Geltendmachung von Betriebsausgaben erzielt werden – und zu Besteuerungsinkongruenzen führen können.

Beispiel:

BCo gibt ein hybrides Finanzinstrument (zB hybride Anleihe) an ACo aus. Die Anleihe wird so ausgestaltet, dass sie gemäß den Rechtsvorschriften von Land B als Fremdkapital qualifiziert wird. Land B lässt für die im Rahmen der Anleihe geleisteten Zinszahlungen einen Betriebsausgabenabzug zu. Gemäß den Rechtsvorschriften von Land A ist die Zahlung jedoch als Vergütung auf Eigenkapital zu qualifizieren und unterliegt in Land A keiner Besteuerung.

Darüber hinaus können auch folgende strukturierte Finanzierungsformen betroffen sein, soweit die Zahlungen, die sich daraus ergeben, von den jeweils betroffenen Ländern unterschiedlich behandelt werden:

  1. Gewinnabhängige Forderungen
  2. Zinslose Forderungen
  3. (Nachträgliche) Kaufpreisanpassungen im Zusammenhang mit Share Deals
  4. Mittels Repos (Rückkaufvereinbarungen) strukturierte Darlehensvereinbarungen
  5. Wertpapieranleihen (Share Lending und Bond Lending Strukturen)

Außerdem umfasst ATAD 1 alle Strukturen, die mittels hybrider Gesellschaftsformen aufgesetzt werden und die zu ungerechtfertigten steuerlichen Vorteilen führen. Dazu zählen insbesondere:

  1. Gesellschaften, die in ihrem Ansässigkeitsstaat als Körperschaft besteuert werden, während der Ansässigkeitsstaat des Investors die Gesellschaft wie eine Personengesellschaft – also nicht direkt, sondern nur auf Ebene des Investors – besteuert („hybrid entity“)
  2. Gesellschaften, die in ihrem Ansässigkeitsstaat wie eine Personengesellschaft nicht direkt, sondern auf Ebene der Gesellschafter besteuert werden, während der Ansässigkeitsstaat des Investors die Gesellschaft wie eine Körperschaft besteuert („reverse hybrid entity“).
  3. Doppelt ansässige Gesellschaften

Im Wesentlichen bewirkt jede Verbindung, bei der ein Stimmrecht, Kapitalbesitz oder Gewinnanteil von 50 % oder mehr besteht, dass zwei Unternehmen oder eine natürliche Person und ein Unternehmen verbundene Unternehmen sind (außer in Bezug auf Zahlungen im Rahmen eines Finanzinstruments – hier reicht ein Schwellenwert von 25 % aus, um eine verbundene Geschäftsbeziehung herzustellen).

Betriebsstättenstrukturen können ebenfalls von den EU-Maßnahmen betroffen sein, wenn die Einschaltung von Betriebsstätten, v.a. in Kombination mit strukturierten Finanzierungsformen, eine doppelte Berücksichtigung von Aufwendungen oder die Nichtbesteuerung von Einkommen ermöglicht.

Beispiel:

Der Ansässigkeitsstaat des Stammhauses unterstellt im Ausland eine Betriebsstätte und nimmt den auf diese Betriebsstätte entfallenden Gewinn aufgrund seiner innerstaatlichen Vorschriften von der Besteuerung aus. Aus Sicht des Tätigkeitsstaates liegt aber gar keine Betriebsstätte vor.

Eine effektive Nichtbesteuerung kann auch bei Geschäftsfällen zwischen Stammhaus und Betriebsstätte vorliegen; und zwar, wenn der Betriebsstättenstaat eine abzugsfähige Zahlung an das Stammhaus vorsieht, während im Staat des Stammhauses kein steuerpflichtiger Ertrag vorliegt.

ATAD 1 sieht nun konkret folgendes vor:

  • Die Richtlinie ist hinsichtlich der hybriden Gestaltungen verpflichtend von allen EU-Mitgliedstaaten bis 31.12.2018 umzusetzen.
  • Die Richtlinie gilt für alle Steuerpflichtigen, die in einem oder mehreren Mitgliedstaaten körperschaftsteuerpflichtig sind, sowie für EU-Betriebstätten von Unternehmen, die in einem Drittland ansässig sind.
  • Art 9 der Richtlinie regelt, dass bei hybriden Gestaltungen, die einen doppelten Betriebsausgabenabzug erlauben, der Abzug der Zahlung nur in dem Mitgliedstaat zu gewähren ist, aus dem die entsprechende Zahlung stammt.
  • Bei hybriden Gestaltungen, bei denen ein Staat einen steuerlichen Abzug einräumt, während der Empfängerstaat die Zahlung als Dividende befreit, muss der Quellenstaat den Betriebsausgabencharakter der Zahlung zukünftig versagen.

ATAD 2 – Ausweitung von ATAD 1

In Luxemburg soll nun die vom Februar 2017 im EU-Ministerrat beschlossene Ergänzung und Verschärfung der bestehenden Richtlinie, die weitere Maßnahmen von OECD BEPS Action 2 übernimmt, in nationales Recht umgesetzt werden. Die Umsetzung ist in den Mitgliedstaaten bis zum 31.12.2019 bzw. für umgekehrte hybride Gestaltungen (reverse hybrid entities) bis zum 31.12.2021 vorgesehen.

Die sogenannten „reverse hybrid entities“ fallen auch in den Anwendungsbereich von ATAD 2. Demnach kann ein steuerlich transparentes Unternehmen dennoch als steuerlich ansässig betrachtet werden, soweit seine Einkünfte nicht in einem anderen Land besteuert werden. In solchen Fällen  sollen die Einkünfte des hybriden Unternehmens im Mitgliedstaat besteuert werden, wenn dies im anderen Steuergebiet nicht passiert. Bei solchen umgekehrt hybriden Gestaltungen ist aber wie bereits erwähnt eine Verlängerung der Umsetzungsfrist bis zum 31.12.2021 vorgesehen.

Wir empfehlen Ihnen, alle Geschäftsvorfälle sorgfältig zu planen, analysieren und dokumentieren, da der Steuerpflichtige auf Verlangen der Steuerbehörden in der Lage sein muss, alle relevanten Informationen wie Steuererklärungen, andere Steuerunterlagen oder Bescheinigungen der Steuerbehörden eines anderen Staates vorzulegen, um nachweisen zu können, dass die Regelungen von ATAD 1 und ATAD 2 (nicht) anwendbar sind.

Ausblick

Mergers & Acquisitions“ Transaktionen, grenzüberschreitende Finanzierungs- und Betriebsstättenstrukturen werden mit Beginn des neuen Jahres nochmals stärker als bisher von den Finanz-und Steuerbehörden im Hinblick auf die ATAD 1 und ATAD 2 sowie in OECD BEPS Action 2 vorgesehenen Anti-Missbrauchsnormen kontrolliert.  

Da es sich bei hybriden Strukturen oftmals um besonders komplexe, undurchsichtige und weitreichende steuerliche Fragestellungen handelt, können Sie uns gerne zur Unterstützung bei der sorgfältigen Planung und Analyse Ihrer Geschäftsvorfälle heranziehen, um zu klären, ob und in welchem Umfang die jeweiligen Richtlinien Anwendung finden.



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