EuGH Urteil zur Besteuerung von Dividenden-, Zins- und Lizenzzahlungen

EuGH Urteil zur Besteuerung von Dividenden-, Zins- und Lizenzzahlungen

1          Ausgangslage

Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 26.02.2019 hat vor allem Auswirkungen für Finanz- und Holdinggesellschaften bei mehrstufiger Lizenz- und Zinsauszahlung sowie bei Dividendenausschüttungen, wobei die oberste Empfängerebene (i.S.v. Zwischengesellschaften) die EU-Richtlinien nicht selber nutzen kann.

Die Zins-und Lizenzrichtlinie stellt generell sicher, dass solche Zins- und Lizenzzahlungen zwischen verbundenen Unternehmen in dem Land besteuert werden, in dem der Zahlungsempfänger ansässig ist. Im Staat, in dem der Schuldner ansässig ist, wird also keine Kapitalertragsteuer auf die Zahlungen erhoben. Zins- und Lizenzzahlungen sind dabei bei der Ermittlung der Besteuerungsgrundlage als Betriebsausgaben vollständig abzugsfähig. Als Bedingung für die Anwendung der Richtlinie müssen Schuldner und Gläubiger (bzw. Empfänger) zwei unterschiedliche Kapitalgesellschaften sein, die in der Europäischen Union ansässig sind. Weiterhin gilt eine Mindestbeteiligungsquote des Zahlungsempfängers von 25% am Kapital des Schuldners.

Weiterhin sieht die Mutter-Tochter Richtlinie vor, dass Gewinnausschüttungen an eine betroffene Muttergesellschaft von deren Mitgliedsstaat nicht besteuert werden bzw. dass der Steuerteilbetrag, den eine Tochtergesellschaft auf die von ihr ausgeschütteten Gewinne, auf die Steuer der Muttergesellschaft angerechnet werden kann. Außerdem findet bei der Anwendung der Mutter-Tochter Richtlinie kein Quellensteuerabzug der Gewinnausschüttungen statt. Die notwendigen Bedingungen für die Umsetzung der Richtlinie sind vergleichbar mit denen Zins- und Lizenzgebührrichtlinie, mit der Ausnahme, dass die Mindestbeteiligungsquote 10% beträgt. In Luxemburg generell sieht Artikel 166 § 10 L.I.R vor. dass für einen Quellensteuerabzug zusätzlich die Anschaffungskosten mindestens EUR 1.200.000,00 und die Mindestbewahrungsdauer der Beteiligungen 12 Monate (ununterbrochen!) betragen soll. Damit Gewinne aus der Veräußerung von Beteiligungen von der Steuer befreit werden können, muss der Anschaffungspreis mindestens EUR 6.000.000,00 betragen.

Allerdings sieht das angesprochene EuGH-Urteil vor, dass unter bestimmten anderen Voraussetzungen als den bisher genannten die Richtlinien keine Anwendung finden sollen (siehe Kapitel 3).

2          Anlässe des EuGH-Urteils

Die Anlässe für das gefällte Urteil des Europäischen Gerichtshofs sind vor allem komplexe Fonds- und Holdingstrukturen, bei der eine Gesellschaft (Dänemark) einer anderen Tochtergesellschaft Zahlungen im Sinne von Zins-, Lizenz- oder Dividendenausschüttungen schuldete. Die Auszahlung erfolgte dabei allerdings nicht direkt, denn eine weitere Gesellschaft, die in Luxemburg ansässig ist, wurde zwischengeschaltet. Solche Zwischengesellschaften gelten in den Augen der dänischen Finanzbehörden als reine Durchleitungsgesellschaften, wodurch der luxemburgischen Gesellschaft die Kapitalertragssteuer-Entlastung verweigert wurde. Der genaue Grund läge dabei in der missbräuchlichen Zwischenschaltung von Durchlaufgesellschaften und der fehlenden Nutzungsberechtigung für Dividenden bzw. Zinsen und Lizenzen. Nach Definition von § 7 Abs.1 und § 8 AStG sind Zwischengesellschaften eine von Inländern beherrschte ausländische Einheit, die niedrig besteuerte passive Einkünfte erzielen.

3          Entscheidung des Europäischen Gerichthofs

3.1       Mutter-Tochter Richtlinie

3.1.1    Urteil

Der Europäische Gerichtshof stimmte in seinem Urteil den dänischen Finanzverwaltungen und Steuerbehörden zu und appelliert an den Grundsatz der nicht-betrügerischen Berufung auf Unionsrecht von Steuerpflichtigen (in diesem Fall von der in Luxemburg ansässigen Gesellschaft). Falls die Voraussetzungen der Mutter-Tochter Richtlinie nur formal erfüllt seien, nicht aber dem Ziel und Zweck der Mutter-Tochter Richtlinie entsprechen, stelle dies ein Grund für Mitgliedsstaaten dar, das Unionsrecht und somit die Mutter-Tochter Richtlinie abzulehnen. Dies ist der Fall, wenn die Erlangung eines Steuervorteils zwar nicht der einzige, wohl aber der Hauptgrund einer Transaktion bzw. Dividendenauszahlung im Sinne von mehreren objektiven Umständen und einem subjektiven Element ist. Hinweise dafür liefern unter anderem schnelle Weiterleitungen von Zahlungen an die Gesellschaften, die nicht von der Mutter-Tochter Richtlinie begünstigt werden und eine fehlende wirtschaftliche Tätigkeit des Dividendenempfängers, was zum Beispiel anhand folgender Merkmale erkennbar ist:

  1. die Geschäftsführung
  2. die Bilanz
  3. die Kostenstruktur
  4. die Tatsächliche Ausgaben
  5. die Beschäftigten
  6. die Geschäftsräume
  7. die Ausstattung der betreffenden Gesellschaft
  8. etc.

Dennoch sollte dem Steuerpflichtigen zur Sicherstellung der Neutralität die Möglichkeit gewährt werden, die Missbrauchsvermutung zu widerlegen (sog. Substanznachweis, in Deutschland gem. § 8 Abs.2 AStG).

Ein Vorliegen einer missbräuchlichen Zwischenschaltung muss von den jeweils betreffenden Steuerbehörden nachgewiesen werden, allerdings müssen sie nicht (mehr) ermitteln, wer die tatsächlichen Nutzungsberechtigten der ausgeschütteten Dividenden sind.

Alles in allem schließt ein Rechtmissbrauch Steuerpflichtige von der Niederlassungs- und Kapitalverkehrsfreiheit im Sinne der Rechtsprechungen des Europäischen Gerichtshofs aus.

3.1.2 Beispiele zur Mutter-Tochter Richtlinie

1. Beispiel: Die Y-GmbH (Schuldner) mit Sitz in Deutschland schüttet Dividenden an die in Luxemburg ansässige Z-GmbH (Gläubiger) in Höhe von EUR 5.000.000,00 aus. Die Z-GmbH ist zu 15% am Kapital der Y-GmbH beteiligt. Es wird vorausgesetzt, dass die Z-GmbH die Gewinnausschüttung im Eigenkapital ansetzt und nicht an Dritte weiterleitet.

Lösung: Schuldner und Gläubiger sind Kapitalgesellschaften und in zwei unterschiedlichen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union ansässig. Weiterhin ist die Mindestbeteiligungshöhe des empfangenden Unternehmens von 10% erreicht. Eine zu missbräuchlichen Zwecken gegründete Zwischengesellschaft ist ausgeschlossen, da die Z-GmbH die Dividenden nicht an Dritte außerhalb des Gemeinschaftsgebietes weiterleitet. Somit sind alle Vorrausetzungen erfüllt, damit die Mutter-Tochter Richtlinie umgesetzt wird und eine Doppelbesteuerung vermieden wird.

2. Beispiel: Die Y-GmbH (Schuldner) mit Sitz in Deutschland leistet Dividendenzahlungen in Höhe von EUR 120.000,00 an die Holding GmbH (Gläubiger) mit Sitz in Luxemburg. Die Holding GmbH ist zu 10% am Kapital der Y-GmbH beteiligt. Aus dem Vertag zwischen der Y-GmbH und der Holding GmbH geht hervor, dass die Holding-GmbH die erhaltenen Dividendenzahlungen zu 95% innerhalb von einem Monat an die in der Schweiz ansässige Z-GmbH weiterleiten soll.

Lösung: Sowohl die Sitze der Y-GmbH und der Holding GmbH in der Europäischen Union sowie die Beteiligungshöhe erfüllen die Voraussetzungen für die Anwendung der Mutter-Tochter Richtlinie. Allerdings beinhaltet der Vertrag zwischen den beiden Gesellschaften eine schnelle Weiterleitung der Dividenden an ein Staat außerhalb des Gemeinschaftsgebietes, was auf eine künstlich bzw. missbräuchlich anzusehende Zwischengesellschaft schließen lässt. Kann die Holding GmbH den Missbrauchsvorwurf nicht widerlegen, findet die Mutter-Tochter Richtlinie keine Anwendung und die Ausschüttungen unterliegen der Doppelbesteuerung.

3.2       Zins- und Lizenzgebühren Richtlinie

3.2.1 Urteil

Der Europäische Gerichtshof stimmte den dänischen Finanz- und Steuerbehörden bezüglich der betreffenden Rechtssachen C-115/16 (N-Luxembourg 1), C-118-16 (X-Denmark), C-119-16 (C-Denmark) und C-299/16 (Z Denmark) ebenfalls zu, mit der Begründung, dass die luxemburgische Zwischengesellschaft nicht der tatsächlichen Nutzungsberechtigte der Zinsen und Lizenzen seien. Indizien seien die schnelle Weiterleitung der Zahlungen und das fehlende freie Verwendungsrecht.

Demnach sind auch die Zins- und Lizenzzahlungen an die luxemburgische Durchlaufgesellschaft nicht vom Quellensteuerabzug befreit.

3.2.2 Beispiele zur Zins- und Lizenzgebühren Richtlinie

1. Beispiel: Die Geld AG mit Sitz in Luxemburg leistet an die Wäsche AG Zinszahlungen in Höhe von EUR 125.000,00. Die Wäsche AG besitzt Anteile am Kapital der Geld AG in Höhe von 27%. Aus dem Vertrag gehen keine Besonderheiten bezüglich des Nutzungsrechts und der Haltedauer hervor.

Lösung: Die Mindesthöhe von 25%, die Rechtsform der Gesellschaften, die Ansässigkeit in EU-Staaten sowie der Ausschluss der Wäsche GmbH als eine künstliche Zwischengesellschaft führen dazu, dass die Zins- und Lizenzgebühren Richtlinie in diesem Fall angewendet wird. Die Zahlungen werden also in dem Staat besteuert, indem die Wäsche AG zuständig ist und Luxemburg verzichtet damit auf die Erhebung der Kapitalertragsteuer.

2. Beispiel: Die Geld AG mit Sitz in Luxemburg zahlt an die Wäsche oHG (Deutschland) Zins- und Lizenzgebühren in Höhe von EUR 300.000,00. Die Wäsche oHG besitzt 15% der Anteile am Kapital der Geld AG. Vertragliche Vereinbarungen regeln, dass die Wäsche oHG die erhaltenen Zahlungen zwar zunächst halten könne, allerdings über ein nur sehr eingeschränktes Nutzungsrecht verfügt.

Lösung: Durch das eingeschränkte Nutzungsrecht wird die Zins- und Lizenzgebühren Richtlinie nicht angewendet. Die Anwendung ist allerdings ohnehin schon ausgeschlossen, da die Mindestbeteiligungshöhe von 25% verfehlt wird und eine oHG keine Kapitalgesellschaft darstellt. Dies hat eine Doppelbesteuerung durch Erhebung der Kapitalertragsteuer in dem Staat, in dem der der Zahlungen ansässig ist, zur Folge.

4 Fazit

Durch die Urteile des Europäischen Gerichtshofs vom 26.02.2019 wurde ein wichtiger Schritt bei der Missbrauchsbekämpfung von Durchlaufgesellschaften gemacht. Die bis dato sehr umfangreichen Zuständigkeiten der inländischen Finanz- und Steuerbehörden bezüglich der angeforderten Beweislast wurden eingeschränkt und Indizien für künstliche bzw. missbräuchlich eingesetzte Gesellschaften mit dem Hauptzweck der Realisation von Vorteilen des Unionsrechts wurden genauer definiert und eingegrenzt.



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