22 Apr Modernisierung der Rechnungslegungsvorschriften in Luxemburg durch ein neues Gesetzvorhaben
Hintergrund
Am 28. Juli 2023 wurde der Gesetzesentwurf 8286 (der Gesetzesentwurf) in Luxemburg veröffentlicht, der darauf abzielt, die luxemburgischen Rechnungslegungsvorschriften zu überarbeiten (das neue Gesetz).
Ziel ist es, das Gesetz vom 19. Dezember 2002 zum Handels- und Gesellschaftsregister sowie zur Buchführung und zum Jahresabschluss der Unternehmen (Gesetz vom 19. Dezember 2002) zu reformieren und zu modernisieren und alle notwendigen Rechnungslegungsvorschriften in einem einzigen Gesetz zusammenzufassen. Derzeit befinden sich die notwendigen Rechnungslegungsvorschriften in Luxemburg in verschiedenen Gesetzen und Empfehlungen der Kommission für Rechnungslegungsnormen (CNC, Rundschreiben). Das Gesetz vom 10. August 1915 über Handelsgesellschaften bildet neben dem Gesetz vom 19. Dezember 2002 die Grundlagen der luxemburgischen Rechnungslegungsvorschriften für Unternehmen (Basisgesetze). Daneben existieren zahlreiche Spezialgesetze für spezielle Unternehmen wie Investmentfonds, Risikokapital Gesellschaften (Produktgesetze). Durch die Trennung der Rechnungslegungsnormen in zahlreichen verschiedenen Quellen ist die Anwendung der luxemburgischen Rechnungslegungsvorschriften komplex, unklar und unübersichtlich.
Das Ziel des neuen Gesetzes ist mehr Transparenz, Klarheit, Verständlichkeit zu schaffen (siehe Begründung im Gesetzesentwurf) wobei gleichzeitig auch der Anwendungsbereich der Rechnungslegungsvorschriften auf FCPs (Fonds Commun de Placement), Offene Handelsgesellschaften, Gesellschaften bürgerlichen Rechts, landwirtschaftliche Vereine, Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit und Pensionsgesellschaften ausgeweitet wird.
Folgende Maßnahmen sind im Gesetzesentwurf vorgesehen.
Bottom-up-Ansatz
In Anbetracht der Tatsache, dass kleine Unternehmen die große Mehrheit der luxemburgischen Unternehmen ausmachen (etwa 97 % der Unternehmen), sieht der Gesetzesentwurf einen Wechsel von der derzeitigen Top-down-Struktur zu einem Bottom-up-Ansatz im luxemburgischen Rechnungslegungsrahmen vor unter Einbeziehung von Kleinstunternehmen.
Diese Änderung zielt darauf ab, die Klarheit und Anwendbarkeit der Rechnungslegungsvorschriften zu verbessern, indem die gemeinsame Regelung für kleine Unternehmen als Regelfall eingestuft wird, während für mittlere und größere Unternehmen zusätzliche Verpflichtungen vorgesehen sind. Zusätzlich wird ein listenbasierter Ansatz vorgeschlagen, um den Umfang der Rechnungslegungspflichten zu spezifizieren.
Schaffung einer Regelung für Kleinstunternehmen und höhere Schwellenwerte für kleine Unternehmen
Der Gesetzesentwurf schlägt vor, eine neue Kategorie für Kleinstunternehmen zu schaffen und die Schwellenwerte für kleine Unternehmen auf dem in der Rechnungslegungsrichtlinie (2013/34/EU) vorgesehenen Höchstwerte anzuheben. Es ist zu beachten, dass der Gesetzentwurf Holdinggesellschaften von einer solchen Regelung für Kleinstunternehmen ausschließt.
Als Kleinstunternehmen gilt, wer zwei der folgenden drei Kriterien in zwei aufeinanderfolgenden Geschäftsjahren nicht überschreiten:
Bilanzsumme: EUR 350.000
Nettoumsatz: EUR 700.000 €
Durchschnittlich beschäftigtes Personal: 10
Als mittelgrosses Unternehmen gilt zukünftig, wer zwei der folgenden drei Kriterien in zwei aufeinanderfolgenden Geschäftsjahren nicht überschreiten:
Blanzsumme: EUR 6.000.000
Nettoumsatz: EUR 12.000.000
Durchschnittlich beschäftigtes Personal: 50
Während die Anhebung der Schwellenwerte für kleine Unternehmen etwas mehr Flexibilität bietet und den Verwaltungsaufwand mehrerer Unternehmen, die derzeit als mittelgroß eingestuft sind, verringern dürfte, soll die Einführung der Regelung für Kleinstunternehmen die Lücke zu den Nachbarländern wie Deutschland und Belgien zu schließen.
Diese neue Regelung soll das Unternehmertum fördern und den Verwaltungsaufwand für diese kleineren Unternehmen verringern. Kleinunternehmen sind von der Erstellung eines Lageberichtes sowie von der gesetzlichen Abschlussprüfung durch einen zugelassenen Wirtschaftsprüfer (Réviseur d’Entreprises Agréé) befreit. Zudem dürfen Kleinunternehmen eine verkürzte Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung erstellen. Zudem profitieren sie auch von gewissen Vereinfachungen im Anhang des Jahresabschlusses.
Die wichtigste Befreiung für Kleinstunternehmen ist die Befreiung des Anhangs zum Jahresabschluss. Diese Kleinstunternehmen unterliegen weiterhin dem Luxemburger Standardkontenplan (PCN) und den eCDF-Formularen und sind verpflichtet, ihren Jahresabschluss nach dem Prinzip der historischen Anschaffungskosten zu erstellen. Lediglich begrenzte Informationen müssen neben der Bilanz offengelegt werden. Laut dem Gesetzesentwurf wären zurzeit in Luxemburg etwa 37% der rechnungslegungspflichtigen Unternehmen als Kleinstunternehmen zu klassifizieren.
Prüfungspflicht für große Holdinggesellschaften
Nach dem aktuellen Stand des luxemburgischen Rechnungslegungsrechts werden Holdinggesellschaften grundsätzlich als „kleine Unternehmen“ eingestuft, sofern sie mindestens zwei der drei Kriterien für die Einstufung als mittleres Unternehmen nicht überschreiten. Holdinggesellschaften überschreiten das Kriterium des Nettoumsatzes und des durchschnittlich beschäftigten Personals nie in Luxemburg. Der Nettoumsatz umfasst laut Definition der derzeit gültigen Rechnungslegungsvorschriften nur Umsätze aus dem Verkauf von Waren und Dienstleistungen und schließt Finanzerträge aus (z. B. Zinserträge, Dividenden und Kapitalgewinne aus dem Verkauf von Beteiligungen und Wertpapieren).
Diese Einstufung von Holdinggesellschaften in „Kleingesellschaften“ hat zur Folge, dass sie von der Pflicht zur gesetzlichen Prüfung der Rechnungslegung durch einen zugelassenen Wirtschaftsprüfer befreit sind.
Das Konzept der großen Holdinggesellschaften wurde eingeführt und als solche definiert, deren Bilanzsumme 500 Millionen Euro übersteigt. Solche großen Holdinggesellschaften werden verpflichtet sein, ihre Jahresabschlüsse jährlich von einem unabhängigen Wirtschaftsprüfer (Réviseur d’Entreprises Agréé) prüfen zu lassen.
Einreichungspflichten für SCSp
Der Gesetzesentwurf sieht vor, dass Spezialkommanditgesellschaften (SCSp) generell von der Pflicht zur Erstellung von Jahresabschlüssen befreit sind, sofern sie jährlich ihre Nachweise gemäß dem Luxemburger Standardkontenplan (PCN) vorlegen.
Bestimmte SCSp, nämlich diejenigen, die in den Sektor der Versicherungsgesellschaften, Kreditinstitute und andere SCSp fallen, die der Aufsicht der luxemburgischen Aufsichtsbehörde (CSSF) unterliegen, sowie diejenigen, die ihre Jahresabschlüsse nach IFRS erstellen, diejenigen mit dem Status von Verbriefungsgesellschaften, die nicht der Aufsicht der CSSF unterliegen, und diejenigen mit dem Status von RAIF, sind jedoch von der Einreichung ihrer Nachweise nach dem PCN-Format befreit, müssen jedoch einen Jahresabschluss gemäß Titel III des neuen Gesetzes erstellen.
Abschaffung des „Commissaire“ (Aufsichtsprüfer)
Es wurde festgestellt, dass die Funktion des „Commissaire“ (Aufsichtsprüfer) ein veraltetes Konzept ist, das ausländische Investoren eher verwirrt, keine klaren Ziele verfolgt und die Gefahr birgt, die Glaubwürdigkeit Luxemburgs zu beschädigen. Um dieses Problem zu lösen, empfiehlt der Gesetzesentwurf die Abschaffung der Funktion des „Commissaire“ (Aufsichtsprüfer). Diese Änderung zielt darauf ab, die Klarheit zu verbessern, den Aufwand zu verringern und die luxemburgischen Vorschriften zu modernisieren, während gleichzeitig flexible Finanzaufsichtsoptionen für kleine Unternehmen ermöglicht werden, die bei Bedarf eine Vertragsprüfung auf freiwilliger Basis beantragen können.
Neue Anforderungen für Unternehmen in Liquidation/Auflösung
Der Gesetzesentwurf stellt klar, dass die allgemeinen Rechnungslegungsgrundsätze vor und nach der Auflösung mit Liquidation weiter gelten, mit den notwendigen Anpassungen für die Rechnungslegungsgrundsätze und Bewertungsmethoden, die eine solche nicht-operative Tätigkeitmit sich bringt. Wird der Jahresabschluss eines in Liquidation aufgelösten Unternehmens nicht von der Hauptversammlung genehmigt, müssen Unternehmen in Liquidation innerhalb von sechs Monaten nach Ende des Geschäftsjahres oder dem Jahrestag der Liquidation einen vorläufigen Liquidationsjahresabschluss erstellen und einreichen. Diese Informationen werden für die Unternehmen, die ihre Abschlüsse veröffentlichen mussten, im RESA öffentlich zugänglich gemacht.
Nach Abschluss der Liquidation muss der Jahresabschluss beim Handelsregister hinterlegt und je nach Rechtsform des Unternehmens auch im RESA veröffentlicht werden (z.B.: S.A. oder S.à r.l.).
Einführung der Definition der Kontrolle für Konsolidierungszwecke
Die Definition der Kontrolle, ein Schlüsselbegriff für die Konsolidierung, wurde im neuen Gesetz als die Möglichkeit eingeführt, die Management- und Finanzpolitik eines anderen Unternehmens entscheidend zu beeinflussen oder zu bestimmen; insbesondere ergibt sich die Kontrolle ausschließlich aus den folgenden Situationen:
a) das Mutterunternehmen verfügt über die Mehrheit der Stimmrechte als Aktionär/Gesellschafter eines anderen Unternehmens; oder
b) das Mutterunternehmen hat das Recht, die Mehrheit der Mitglieder des Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsichtsorgans eines anderen Unternehmens zu bestellen oder zu entlassen; oder
c) das Mutterunternehmen allein aufgrund einer mit anderen Aktionären oder Gesellschaftern dieses Unternehmens geschlossenen Vereinbarung die Mehrheit der Stimmrechte der Aktionäre oder Gesellschafter des letzteren kontrolliert.
In den Kommentaren zum Gesetzentwurf wird präzisiert, dass das Konzept der Tochter gegenüber der Mutter in bestimmten Fällen anwendbar ist, in denen mindestens zwei der drei Situationen miteinander konkurrieren (z.B.: Bestimmung des der Kontrolle zwischen Komplementär und Kommanditist in bestimmten Situationen von Personengesellschaften).
Einige andere Änderungen
- Das neue Gesetz enthält mehr Erklärungen für viele Bestimmungen, was durch die Integration der CNC-Empfehlungen direkt in das Rechnungslegungsgesetz erreicht wurde, insbesondere in Bezug auf:
- Anwendung von Fremdwährungen in den Jahresabschlüssen (Q&A 22/06);
- Berichtigung von Fehlern (Q&A 21/025);
- Änderung von Buchführungsmethoden, Bewertungsmethoden und buchhalterischen Schätzungen (F&A 21/024R);
- Grundlage der Liquidationen der Rechnungslegung (F&A 21/022)
- Optionaler Ansatz Substance over Form Prinzip (F&A 20/021);
- Einstufung von Unternehmen, Auslegung der Wiederholungskriterien (F&A 19/019)
- Abweichende Geschäftsjahre (Empfehlung 14/003).
- Die Gliederung der Bilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung wird wieder in das Rechnungslegungsgesetz aufgenommen. Derzeit werden sie durch die großherzogliche Verordnung vom 18. Dezember 2015 definiert.
- Anerkennung der Möglichkeit, aktive latente Steuern sowohl auf Einzel- als auch auf Konsolidierungsbasis zu verbuchen, wenn es sehr wahrscheinlich ist, dass die Steuern in absehbarer Zeit erstattungsfähig sein werden.
- Anerkennung der Möglichkeit – in Ausnahmefällen – immaterielle Vermögenswerte mit unbestimmter Nutzungsdauer zu haben: In Fällen, in denen zuverlässig geschätzt werden kann, dass die wirtschaftliche Nutzungsdauer von immateriellen Vermögenswerten zeitlich nicht begrenzt ist, besteht keine Notwendigkeit mehr für eine systematische Abschreibung. Solche immateriellen Vermögenswerte werden in Übereinstimmung mit IAS 36 oder einem anderen Regelwerk eines Mitgliedstaates der Europäischen Union einem Wertminderungstest unterzogen. Die Unbefristetheit der wirtschaftlichen Nutzungsdauer sollte ordnungsgemäß offengelegt und jährlich neu bewertet werden.
- Neue Regeln für die Dauer des Geschäftsjahres in Übereinstimmung mit der aktuellen Marktpraxis. Wenn die allgemeine Regel lautet, dass Geschäftsjahre nicht länger als 12 Monate dauern dürfen, sind nun begrenzte Ausnahmen möglich, z. B. für neu gegründete Unternehmen, deren erstes Geschäftsjahr bis zu 18 Monate dauern kann. Für Übergangshaushaltsjahre (wenn Unternehmen ihren Abschlussstichtag ändern) wird klargestellt, dass sie 12 Monate nicht überschreiten dürfen. Schließlich wurden auch die abweichennden Geschäftsjahre in das neue Gesetz aufgenommen.
- Der derzeitige Artikel 27 des Gesetzes vom 19. Dezember 2002, der dem Justizministerium spezifische Ausnahmen vom Rechnungslegungsgesetz erlaubt, wird eingeschränkt, um sich an die derzeitige Praxis anzupassen. Der neue Artikel erlaubt es Unternehmen lediglich, beim Justizministerium eine Ausnahmegenehmigung für die Erstellung eines konsolidierten Abschlusses zu beantragen, der nach einem anderen als dem in Luxemburg gesetzlich zulässigen Rechnungslegungsrahmen erstellt wurde (d.h. Lux GAAP oder IFRS, wie sie von der EU übernommen wurden). Der abweichende Rahmen muss von der EU-Kommission als gleichwertig anerkannt werden, d.h. im Einklang mit der Entscheidung 2008/961/EG der Europäischen Kommission vom 12. Dezember 2008.
- Die Begriffe des maßgeblichen Einflusses und der gemeinsamen Kontrolle wurden definiert.
Das neue Gesetz soll ab dem 01. Januar 2025 Anwendung finden.